Die Ressourcen auf der Welt sind knapp. Die letzte Hoffnung ist die Biological Research Company HarvPipe. HarvPipe hat bereits Forscher in die Antarktis entsendet,
um nach reinem Wasser zu suchen und arbeitet stetig daran, die Welt zu retten. Leider auch mit Rückschlägen. So haben einige Mitarbeiter aus der Botanik Abteilung für Schlagzeilen gesorgt, als sie mit genveränderten Pflanzen
Menschen in Mutanten verwandelt haben. Der Plan ist gescheitert und die Raketen, welche mit dem geladenen Zood die gesamte Menschheit in Mutanten verwandeln sollten, wurden von der UN abgefangen. Die Botaniker sind seitdem spurlos im Untergrund verschwunden. Das ist schon viele Jahre her, aber der Zeitungsartikel hängt immer noch hier am schwarzen Brett. Grade aus dem Studium heraus, blickt die frisch gebackene Biochemikerin noch ein letztes Mal auf diese Geschichte aus einer vergangenen Zeit und macht sich einen Kaffee. Sie ist der neue große Stern am Botanik Himmel. Sie beendete bereits mit 15 Jahren das anspruchsvolle Studium und wurde umgehend von HarvPipe eingestellt. An ihrem ersten Arbeitstag hier hat sie zum ersten Mal Kaffee getrunken. Die Botanik Abteilung bei HarvPipe ist einer der letzten Orte auf der Welt, an dem es so etwas noch gibt. Die Abteilung ist vor den Augen der Außenwelt abgeschirmt. Im Zentrum der 4 Millionen Einwohner umfassenden Ruhrmetropole Essen steht der HarvPipe Tower. 1400 Meter hoch, 280 Stockwerke und angestellt sind nur die Besten der Welt. Wer hier arbeitet, darf sich als die Hoffnung der Menschheit betiteln. Aber nicht im Tower, sondern darunter, tief unter der Erde, in riesigen Kellerkatakomben, ist die Botanik ansässig. So versteckt, weil hier die letzte Chance auf bessere Nahrung ruht. Die meisten der 13 Milliarden Menschen auf der Welt ernähren sich von Icerocks und Insektenriegeln. Die Wohlhabenderen können sich künstlich hergestelltes Fleisch aus dem Labor leisten. Anbei synthetische Gelatinebrocken, die mit Vitaminen angereichert wurden. Alles in allem absolut ungenießbar. Unsere Chemikerin wurde deshalb mit einer ganz speziellen Aufgabe betreut. Mit dem Kaffee in der Hand geht sie durch einen weitläufigen Gang, er durch kalte Röhren beleuchtet wird. Links und rechts von ihr sind große Schaufenster und kleine Luken eingelassen, durch die man in die dahinter liegenden Labore schauen kann. Sie läuft vorbei an Forschern, die in ihren Räumen experimentieren. Sie bleibt kurz stehen und beobachtet einen Forscher, der hinter einem der Fenster arbeitet. Er setzt eine Spritze in einen Topf voll Erde und nach wenigen Sekunden kämpft sich eine grüne Ranke aus der Erde hervor. Sie wächst schnell auf einen Meter heran. Durch den Schallschutz des abgeriegelten Raums hört die Chemikerin sein Jubeln nicht. Die Pflanze wächst, wird immer grüner, blüht, wird plötzlich braun und fällt auf einmal wieder in sich zusammen. Ein ganzer Lebenszyklus in unter einer Minute. Der Jubel ist vorbei, das Experiment offensichtlich missglückt. In dieser Welt ist es schwer, etwas Lebendes heranzuzüchten. Außer Menschen, davon gibt es einfach zu viele. Zu viele, die versorgt werden müssen und zu wenige Möglichkeiten. Die junge Chemikerin geht weiter an den Fenstern vorbei bis zum Ende des Gangs. Hinter den Fenstern sieht sie in Reagenzgläsern aufbewahrte Samen. Danach Gefäße, gefüllt mit grüner Flüssigkeit und undefinierbaren, toten Lebensformen. Dann Tafeln mit unverständlichen Formeln und dampfenden Kesseln mit Totenkopf Symbolen. Durch ein beschlagenes Schaufenster kann man sogar die Kaffeebohnen wachsen sehen, die für die Mitarbeiter dienen. Wenigstens das funktioniert. Ernähren kann man sich davon leider nicht. Am Ende des Gangs schließlich erreicht sie ein stählernes Tor. Rechts daneben eine Apparatur. Sie scannt dort erst ihre Iris, dann ihre Fingerkuppen. Anschließend fährt ein kleiner Arm mit Gefäß aus, in das sie hineinspucken muss. Der Arm fährt wieder ein und das Gerät testet im Schnelldurchlauf auf sämtliche Krankheiten und gleicht die DNA mit der Datenbank ab. Höchste Sicherheitsstufe. Dann öffnet sich unter Zischen und Nebel, fast wie im Science-Fiction Film, das Tor. Dahinter ein kleiner Raum, der als Schleuse dient. Die Chemikerin betritt den Raum, das Tor geht wieder zu. Sie hat jetzt genau 2 Minuten Zeit, um den selbstbeatmenden Schutzanzug anzulegen, der bereits an einem Haken zu ihrer Rechten hängt, dann wird die Luft aus dem Raum abgepumpt. Den Kaffee stellt Sie kurz auf den Boden. Eigentlich darf sie ihn gar nicht mit reinnehmen, und Trinken kann sie ihn durch den Anzug sowieso nicht mehr. Aber wer so jung ist, muss manche Dinge eben noch lernen. Also schnappt sie sich die Tasse und macht sich bereit. Die Luft wird abgepumpt und mit der Luft aus dem Inneren des Labors ausgetauscht. Der ganze Aufwand hat einen bestimmten Grund. Hinter dem zweiten Tor findet die Frucht-Forschung statt. Statt künstlicher Vitamine soll es in naher Zukunft endlich wieder echtes Obst geben. Von Melonen über Äpfel, bis Orangen wird hier an allem experimentiert, was mal selbstverständlich war. Früchte kennt unsere Chemikerin nur aus Erzählungen. Als Kind hatte sie mal welche gegessen, doch war zu jung, um sich zu erinnern. Längst ist es unmöglich geworden, die Felder der Welt mit solchen Köstlichkeiten zu bewirtschaften. Die warmen Regionen werden ständig von verheerenden Naturkatastrophen heimgesucht und die Länder nördlich der Alpen, Deutschland eingeschlossen, weisen dauerhaft Temperaturen unter -10 Grad auf. Der Klimawandel hat die Welt nicht wärmer, sondern unberechenbar gemacht. Die Lieblingsfrucht der jungen Forscherin sind Orangen. Warum, weiß sie selbst nicht, hat sie doch noch nie eine echte gesehen. Aber sie findet diese Frucht wunderschön, so wie sie in den Büchern beschrieben ist. Sie hat gelesen, dass Orangen früher in Spanien angebaut wurden. Spanien ist heute nur noch als die spanische Wüste bekannt. Das ganze Gebiet von der Küste Portugals über Spanien, Südfrankreich und den Süden Italiens ist unbewohnbar geworden. Tagsüber sind es um die 50 Grad, nachts unter 0. Stetig wütende Stürme, sei es Sand oder Eis, verwüsten hier jeden Tag alles, was nicht fest am Boden ist. Aber unsere Botanikerin ist guter Dinge. Sie hat ein neues Serum entwickelt, welches sie ihren Pflanzen gleich verabreichen wird. Ihre Pflanzen, das sind bisher nur grünliche kleine Stämme mit einigen Auswüchsen, hergestellt aus der konservierten DNA alter Sprösslinge. HarvPipe kauft diese DNA teuer ein, muss sie teilweise sogar schmuggeln, weil jedes Land das erste im Kampf gegen die Not sein will und den internationalen Handel unterbindet. Das Serum der Botanikerin soll den Stämmen Leben einhauchen und Früchte an ihnen gedeihen lassen. So befindet sie sich nun, nach erfolgreichem Durchqueren der Schleuse, im Hochsicherheitslabor. Das Licht hier ist angenehm, wie echtes Sonnenlicht, und es herrscht tropisches Klima. Davon kriegt man in den kühlenden Schutzanzügen glücklicherweise wenig mit. Die Kaffeetasse hat sie immer noch dabei, stellt sie aber auf ein Regal über ihren Pflanzen ab. Das Serum ist bereits fertig angemischt. Mehrere gefüllte Reagenzgläser stehen bereit, eins für jede Pflanze. Sie gießt eins nach dem anderen in die Erde, aus der die leblosen Stämme emporwachsen. Jetzt heißt es warten. Sie überlegt, noch mal in die Schleuse zu gehen, um beim Warten den Rest ihres noch lauwarmen Kaffees zu trinken. Das Sichtfenster ihres Anzugs ist sowieso schon ganz beschlagen, lange kann man hier nie arbeiten. Also greift sie nach der Tasse. Wegen der eingeschränkten Sicht verfehlt sie den Griff und zack: Sie stößt die Tasse um. Deshalb ist sowas im Labor verboten. Der ganze Inhalt entleert sich auf die darunter stehende Orangenpflanze, beziehungsweise das, was mal eine werden soll. Sie schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, ihr Puls steigt. Monatelang wurde an den Pflanzen geforscht, Wochen dauerte es, die Stämme zu kultivieren. Das Serum sollte nun endlich Früchte wachsen lassen und sie verschüttet in einer schnellen Bewegung den Kaffee, den sie gar nicht hätte mitnehmen dürfen, über der Orange, ihrer Lieblingspflanze. Wie erklärt man das dem Chef, mit Sicherheit ist sie ihren Job hier sofort wieder los. Während sie auf und ab geht und sich Ausreden überlegt, beginnt das Serum zu wirken. Alle Stämme verändern sich. Sie knacken und winden sich langsam um sich selbst. Sie verdrehen sich, es sprießen Äste aus ihnen die sich ebenfalls verwinden und einrollen. Es sieht aus wie ein gequälter Tanz, beinahe wie sterbende Würmer. Langsam, aber sicher werden die Stämme kleiner und sacken in sich zusammen. Das Serum hat nicht gewirkt. Die Pflanzen sterben. Ein herber Rückschlag. Aber halt, ein Stamm steht noch. Zwischen den toten Stämmen sieht die Chemikerin den Stamm der Orange stehen, auf den sie den Kaffee gekippt hat. Dieser steht unversehrt da, hat bereits Triebe gebildet und am Ende der Triebe kleine Knospen. Waren die aufgebrühten Kaffeebohnen etwa das letzte Element, das noch gefehlt hat? Die Forscherin geht näher heran und sieht, wie die Knospen größer werden. Es sieht aus, als blähen sie sich langsam auf und plötzlich: Knack. Eine Knospe bricht auf und bildet einen kleinen Spalt. Das, was die Chemikerin darunter erblickt, lässt sie erstarren. Es ist de Farbe, die sie sich so sehr gewünscht hat, es ist orange. Es scheint, als würden in der Knospe winzig kleine Orangen wachsen. Das ist eine Sensation in einer sonst nur grauen, farblosen Welt. In einer Welt, die schon lange vergessen hat, welche wundervollen Farben die Natur für uns geschaffen hat. So eine schöne Farbe hat sie noch nie gesehen. Sofort muss sie das ihrem Chef erzählen. Bis diese Orange die Welt retten wird, ist noch viel Forschungsarbeit zu tun. Aber diese kleinen Orange Buds sind bereits heute der erste Schritt zurück in eine bessere Welt, da ist sich die Chemikerin sicher.